Es gibt so Tage, da läuft alles ganz normal – bis dein Handy klingelt und du ahnst: Das wird teuer. Oder zumindest schmerzhaft.
Letzte Woche war es wieder so weit. Mein Sohn hat sich im Kindergarten den Arm gebrochen. Ganz klassisch. Beim Spielen im Außengelände. Nichts Spektakuläres, keine Stuntnummer, kein Kampf mit einem wild gewordenen Eichhörnchen – einfach nur Kindsein deluxe.
Ich also los. Auf dem Weg dahin in Gedanken schon beim Notarzt, bei gebrochenen Seelen und Kinderschreien in Zeitlupe. Und dann kommt er mir entgegen. Weinend, ja – aber auch: paniert wie ein Wiener Schnitzel. Von oben bis unten voller Sand, Haare nass vom Toben, ein zarter Sonnencremeduft umweht ihn wie ein teurer Sommerduft aus dem Hause Nivea. Die Backen glühen, das Shirt ein Farbverlauf aus Matsch und Apfelsaft. Ich sag’s euch – ein Bild von einem Kind!
Während ich noch versuche, meine innere Notrufzentrale zu beruhigen, saß mein Sohn hinten im Auto und jammerte. Natürlich. Und ich? Puls bei 180, Herz in der Hose, Tunnelblick deluxe.
Da gibt’s keine klaren Gedanken, nur: MUSS. HEIL. MACHEN.
Da werden rote Ampeln zu freundlichen Empfehlungen, das Halteverbot zur Mutti-Notfall-Zone erklärt. Danke an dieser Stelle an alle Autofahrer, die an dem Tag Rücksicht auf meine leichte Gesetzesübertretung genommen haben. Ich war im Einsatz. Fürs Kind. Für die Menschheit. Für die Mutterehre!
Der Arzt war nett. Der Gips wurde blau. (Natürlich. Lieblingsfarbe!) Und: keine OP nötig. Halleluja!
Ich war erst sauer. Ich wollte einen Schuldigen. WIE konnte das passieren?! Und dann standen da die Erzieher – mit schlechtem Gewissen, leiser Stimme und ewigen Entschuldigungen. Und plötzlich dachte ich: Wofür eigentlich?
Es ist beim Spielen passiert. Draußen. In der Sonne. Mit Matsche, Sand und jeder Menge kindlicher Lebensfreude. Mein Sohn hatte Spaß. Er war glücklich. Und dann – zack – Gips. Ja, das tut weh. Aber es ist doch auch ein bisschen… Kindheit pur, oder?
Ich meine – früher hatte IMMER jemand aus dem Freundeskreis irgendwas in Gips. Oder Pflaster. Oder beide Arme und zusätzlich ein gebrochenes Milchzahnlächeln. Und ganz ehrlich: das war völlig normal.
Heute? Heute ist schon Drama, wenn die Hose dreckig ist oder das Knie ein bisschen rot. Es wird gekühlt, gegoogelt, ge-whatsappt, dokumentiert. Ich glaub, da kommt ein blauer Fleck…!
Aber genau das ist es doch: Kindheit darf wild sein. Laut. Schmutzig. Manchmal auch schmerzhaft. Kein Kind braucht eine Instagram-Kindheit mit Filter und Sicherheitsnetz.
Heute war übrigens Fototag im Kindergarten. Und wisst ihr was? Mein Sohn ist auf dem Bild – mit stolz erhobenem Kinn und blauem Gipsarm. Und ich? Bin ein bisschen stolz. Weil man sehen kann: Hier wurde gelebt!
Also, liebe Kindergärten, bitte keine Schuldgefühle. Im Gegenteil. Danke, dass ihr Kinder Kinder sein lasst!
Und an alle Eltern: Ein Gips ist kein Weltuntergang. Eher ein kleiner Ehrenorden in der Karriere eines Abenteurers.
Und wenn’s verheilt ist? Dann wird geheiratet. Oder zumindest wieder gerannt, gerauft und weitergelebt. Mit dreckigen Hosen, aufgeschürften Knien und Matsch im Gesicht.
Ein Hoch auf die echte Kindheit!