Leute. Es ist wieder soweit. STADTRADELN!
Das alljährliche Spektakel, bei dem plötzlich alle zu fahrradfahrenden Klimahelden mutieren, als hätte man sie direkt aus einem Werbeplakat der Verkehrswende gerissen. Drei Wochen – drei! – wird jetzt gestrampelt, was das Zeug hält. Das Fahrrad wird aus dem Keller gezerrt (verstaubt, platt, aber hey – immerhin ist es noch da!), der Helm entmottet, die Fahrradkette quietscht sich leise in den Aktivismusmodus.
Jetzt wird geradelt, gepostet und gezählt: „Heute schon 12,3 km gefahren! #stadtradeln #klimaretter #sportlichunterwegs“
Und ich sitze da, nippe an meinem Kaffee, und kann einfach nur leise schmunzeln.
Denn seien wir ehrlich: Stadtradeln ist wie Fastenzeit fürs Auto – man gibt das Laster kurz auf, um sich danach mit noch besserem Gewissen wieder reinzusetzen. Drei Wochen lang zeigen wir dem Planeten, wie grün wir sein können, wenn ein bisschen öffentlicher Druck und Gruppenzwang mit im Sattel sitzen. Teams werden gegründet, Kilometerlisten gepflegt, und plötzlich ist der Kollege aus der Buchhaltung ganz vorne mit dabei, als wäre er auf der Tour de France.
Aber danach? Danach ist wieder Schluss mit dem Aktivismus auf zwei Rädern. Dann ist’s vorbei mit der Pedalromantik. Dann wird der Weg zur Kita, zur Post oder – mein Favorit – zur Bäckerei 300 Meter weiter wieder stilecht mit dem SUV zurückgelegt. Schließlich regnet’s ja. Oder es ist zu heiß. Oder zu windig. Oder einfach… Montag.
Und die Kinder? Die schauen natürlich zu. Sehen, wie Mama und Papa drei Wochen lang super motiviert sind, das Rad nehmen, vielleicht sogar mal was über „nachhaltige Mobilität“ erzählen – und danach wieder genauso schnell die Autoschlüssel zücken wie früher. „Schatz, hol doch bitte den Wagen – ich will ja nicht mit dem Bio-Brot unterm Arm heimlaufen.“
Versteht mich nicht falsch: Die Idee hinter Stadtradeln ist großartig. Wirklich. Aufmerksamkeit für nachhaltige Mobilität schaffen, Menschen motivieren, das Rad neu entdecken – top!
Aber leider bleibt’s oft bei der Idee. Der Nachhaltigkeitsgedanke verfliegt, sobald niemand mehr mitzählt. Sobald keine App mehr sagt: „Toll gemacht, heute wieder 5,1 km für’s Klima geradelt!“ Sobald keiner mehr applaudiert. Dann ist’s wieder bequemer, sich auf den Fahrersitz zu plumpsen und mit schlechtem Gewissen auf nächstes Jahr zu warten.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Stadtradeln! Ich wünsche euch Rückenwind, wenig Platten und vielleicht ein bisschen mehr Ehrlichkeit – vor allem sich selbst gegenüber.